Vom neuen Leben auf dem Lande

Nach der langen Pause das Wichtigste vornweg: Ja, wir sind umgezogen. Nein, das Haus ist nicht fertig.

Aber fangen wir mal ganz von vorne an. Im letzten Update (holy smokes, das ist zwei Jahre her) hatten wir berichtet, dass wir unseren Bauantrag eingereicht haben. Der wurde mit kleinen Änderungen auch relativ schnell genehmigt. Eigentlich hätten wir in 2021 oder 2022 ein Haus bauen können sollen. Aber hätte, tätte, Fahrradkette. Wir haben immer noch kein Haus. Das zehrt mental enorm an unseren Kräften und hat natürlich auch meine Motivation, unsere Fortschritte hier zu bloggen, total beeinträchtigt. Wir haben die letzten zwei Jahre lang kaum Fortschritte beim Hausbau gemacht und mußten uns immer wieder gegenseitig in den Arm nehmen, um nicht gänzlich zu verzweifeln.

Zunächst hatten die Auswirkungen der Pandemie und dann die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs die Holzpreise in die Höhe getrieben. Sie lagen zwischenzeitlich bei 300% dessen, was wir Anfang 2020 kalkuliert hatten. Wir waren zwar so schlau, mit unserem Anbieter einen Festpreis für das Holzhaus zu vereinbaren. Aber Vertragsstrafen für Lieferverzug oder ähnliche Mittel zum Durchsetzen unserer Interessen hatten wir keine vereinbart. Der Anbieter konnte zu den hohen Preisen kein Holz kaufen, das hätte ihn ruiniert. Und wir konnten es ein Stück weit verstehen und ihn ohnehin rechtlich nicht zwingen. Also mußten wir warten und warten und warten, und es war kein Ende absehbar.

Dennoch haben wir uns im Sommer 2022 entschieden, auf’s Land zu ziehen und der großen Stadt, meiner Geburtsstadt und lebenslangen Heimat, den Rücken zu kehren. Wir wollten der Baustelle und dem Garten näher sein und wir wollten den Kindern den Schul- und Kitawechsel leichter machen. Als im selben Dorf, 500m die Straße runter eine Mietwohnung in einem Landhaus frei wurde, haben wir kurzerhand einen Mietvertrag unterschrieben. Es sollte zunächst ein einjähriges Provisorium sein, bis 2023 dann unser Haus fertig ist und jetzt wohnen wir schon seit 1,5 Jahren hier. Der Umzug war ein großer Schritt, auch für unsere Kinder. Aber wir bereuen Nichts (außer vielleicht die Sache mit den fehlenden Vertragsstrafen im Holzhaus-Vertrag.)

Es ist wunderschön hier. Wir sind der Natur so nahe, wie noch nie. Die Kaninchen sind den ganzen Tag draußen und fressen frisches Gras und Wildkräuter, bzw. jetzt im Winter Grünkohl und Futterrüben. Wir haben eigenes Gemüse angebaut und dafür hauptsächlich Beet- und Gewächshausflächen im Garten der Mietwohnung genutzt. Salat, Kohlrabi, Rote Beete, Mangold, aber auch Spitzkohl, Blumenkohl, Tomaten und Zucchini, vieles mußten wir nicht mehr im Laden kaufen. Diesen Herbst haben wir bei der Apfelernte auf der Streuobstwiese unseres Vermieters geholfen und Apfelsaft pressen lassen. Aber auch unser eigener Waldgarten wächst und gedeiht. Wir ziehen unsere eigenen Gehölze aus Satzgut, um sie in den Waldgarten und den Forstwald zu pflanzen. Wir haben schon über 500 Weißdorne, Haseln, Robinien, Rosen, Felsenbirnen, Sanddorne, Hainbuchen, Ahorne, Esskastanien, Buchen, Holzäpfel, Salweiden, Holunder, Vogelbeeren, Pflaumen und so weiter und so fort gesäht und/oder gepflanzt. Der lokale Parkservice läd regelmässig Holzhäcksel bei uns ab und wir verteilen sie fleißig auf unserem Areal, um die Bodenverbesserung voranzutreiben. Und während Berlin durch den Schneematsch waten und gegen Graupelschauer ankämpfen mußte, waren wir rodeln, haben einen Schneemann gebaut und Hasenspuren im Schnee verfolgt.

Auch die Kinder sind gut hier angekommen. Sie haben, entgegen ihrer anfänglichen Ängste, sofort neue Freunde gefunden. Seit August 2023 sind beide Kinder in der Schule und nehmen selbstständig den Schul-/Linienbus, der zweimal am Tag fährt. Letztes Jahr haben wir sie noch jeden Tag mit dem Fahrrad in die 12 km entfernte Schule und Kita gefahren, bzw. von dort abgeholt, @andreas am Morgen und ich am Nachmittag. Die Fahrradstrecke geht durch einen Natura2000-Wald, ist (altes Militärgebiet) gepflastert und für den Autoverkehr gesperrt. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie schön das ist, da einfach vor sich hin zu radeln und die Gedanken fliegen zu lassen. Ich vermisse das tatsächlich schon so sehr, dass ich mir Gedanken darüber mache, wie ich es trotz Schulbus und Return-To-Office wieder in mein Leben integrieren kann – wenigstens ab und an.

Aber es ist natürlich nicht alles nur rosig hier. Es gibt auch echte Nachteile. Als wir letzten Herbst alle mit Corona flach lagen, waren wir sehr froh, dass es online Sprechstunden gibt. Denn in personam hätten wir es in dem Zustand nicht zu einem Arzt geschafft. Denn in unserem Dorf gibt es ja keinen. Auch der Schnellzug, der ja eines der Hauptkriterien für die Standortwahl war, ist deutlich weniger zuverlässig, als erwartet. Jetzt, wo ich tatsächlich wieder dreimal wöchentlich nach Berlin ins Büro fahren muß, merkt man das wirklich schmerzlich. Wenigstens muß ich seit dem 49€-Ticket nicht mehr 250€ für diesen miesen Service zahlen. Und zum Glück kommt mein Chef selbst auch aus Brandenburg reingependelt, kennt das Problem und ist daher sehr nachsichtig. Auch mit Freizeitangeboten für die Kinder sieht es schwierig aus. Es gibt einen Karnevalsverein und die Freiwillige Kinder-Feuerwehr. Auch zu Reitstunden konnten wir die Kids jetzt anmelden. Aber alleine kommen sie da nicht hin. Sie müssen immer überall hin gefahren werden, was für mich ohne Führerschein gar nicht machbar ist. Für den Fahrradanhänger sind die Kinder allmählich wirklich zu groß und zum Selbstradeln sind nur die Strecken geeignet, die nicht über Landstraße gehen. Klavier- und Gesangsunterricht, was sie in Berlin hatten und vermissen, sucht man hier vergeblich. Vermutlich werde ich als Hilfs-Lehrerin einspringen müssen, um auch diese Interessen weiterhin fördern zu können. Dann sind zwei unserer Kaninchen gestorben. Im Sommer erst Cookie (das schwarze), vermutlich an einer Vergiftung mit Eibe oder Spindelstrauch und im Herbst mußten wir Yawe (das weiß-braune) nach einem Bandscheibenvorfall einschläfern lassen. Das war sehr traurig. Wir haben beide Kaninchen im Waldgarten begraben und ihnen ein Ziergehölz gepflanzt. Cookie hat einen Rotdorn „Paul’s Scarlet“ bekommen und Yawe einen Zierapfel „Malus coccinella“. Und last-but-not-least: Bei der letzten Bürgermeisterwahl haben 50% unseres Dorfes den AFD-Kandidaten gewählt, 50%! Es sind also beileibe nicht nur die Nachbarn mit der Nazi-Flagge, die hier rechte Gesinnungen kultivieren und da braucht es dringend Gegenkultur.

Aber leider haben wir die Zeit noch nicht, um uns lokal-politisch, -kulturell und -sozial mehr zu engagieren. Ich konnte meinen Dayjob immer noch nicht kündigen (geplant war das für 2022) und muß jetzt sogar wieder nach Berlin ins Büro pendeln. Ich verliere so viel kostbare Lebenszeit dadurch, es ist zum Mäusemelken. Aber wir können es uns einfach noch nicht leisten, auf mein geregeltes Einkommen zu verzichten. Denn das Haus steht ja noch nicht und wird nun definitiv teurer als ursprünglich geplant. Zwar sind die Holzpreise wieder auf Vor-Corona-Niveau, aber unserer Holzhaus-Anbieter hatte uns dennoch hingehalten und mehr Geld für Dinge verlangt, die eigentlich im Preis inbegriffen waren oder die wir bereits bezahlt hatten. Wir hatten aber bis November 2023 keine Gegenleistung von ihm erhalten, Null, und wollten nicht noch mehr Geld in eine möglicherweise bereits insolvente Firma versenken. Also haben wir unsere Anwälte eingeschaltet und uns zumindest die zugeschnittenen Blockbohlen für den Rohbau anliefern lassen und so gesichert. Jetzt müssen wir mit unserer Bank nachverhandeln, damit wir uns auch noch Fenster, Türen, Dach und den Aufbau leisten können. Mit dem unzuverlässigen Holzhaus-Anbieter müssen sich nun unsere Anwälte weiter befassen.

Das Holz für das Blockhaus endlich bekommen zu haben, war aber ein Hoffnungsschimmer, der uns viel Kraft zurückgegeben hat. Über zwei Jahre mußten wir darauf warten. 2024 muß einfach das Jahr werden, in dem wir mit dem Bau so weit vorankommen, dass wir wenigstens schon mal einziehen können. Denn die Mietwohnung ist – obgleich schön – einfach zu klein und zu wenig auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten. (Unsere Bibliothek ist z.B. aus Platzgründen immer noch in Berlin. Ich habe fast keine Bücher im Haus!) Aber jetzt brauchen wir erstmal die freien Tage um Weihnachten und Neujahr, um Energie für die Nachverhandlungen mit der Bank zu tanken. Drückt uns die Daumen für diese nächste, schwierige Etappe!

Und bitte, bitte kommt uns trotzdem besuchen und bringt eure Kulturgüter und alles mit, wofür ihr euch gerade begeistert. Auch wenn wir euch noch nicht in unseren eigenen vier Wänden begrüßen können, freuen wir uns trotzdem, euch zu sehen und in eurer Nähe Kraft zu tanken. Community ist so nötig! Freundschaften sind so wichtig! Die Welt ist gerade kalt und trostlos genug. Laßt uns zusammenhalten und gemeinsam unsere Menschlichkeit und unser Mitgefühl bewahren!

In diesem Sinne wünsche ich euch und uns ein warmherziges und erfolgreiches Jahr 2024!

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